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Geschichte des Schreibens

Schön schreiben

Die Schrift ist vielleicht die genialste Erfindung des Menschen. Ohne ein System von Zeichen ist zivilisatorische Entwicklung im heute verstandenem Sinne kaum möglich. Für Menschen in modernen Gesellschaften ohne die Fähigkeit des Schreibens und Lesens stellt dies ein elementares Hindernis in der Gestaltung ihres persönlichen Lebens dar.

Vor mehr als 50.000 Jahren scheint Jägern und Sammlern in verschiedenen Regionen der damaligen Welt gleichzeitig die Vorteile sichtbar gemachter Kommunikation zur Informationsvermittlung bewusst geworden zu sein. Was sie genau ausdrücken wollten, ist nicht bekannt, aber sie kratzten mit Fingernägeln oder primitiven Werkzeugen Zeichen in Felswände oder bemalten Wände von Höhlen mit Naturfarben, indem sie Fasern von Pflanzen als Pinsel benutzten oder die flüssigen Farbstoffe mit dem Mund durch hohle Blütenstängel bliesen. Bilder waren also eine Vorstufe der Schrift. Zu einer Hochkultur aber reichten sie nicht aus, ebenso wenig wie Wegmarkierungen oder geschnitzte Botenstäbe. Auch die Knotenschrift der Inkas in Südamerika kann nicht als vollwertige Schrift angesehen werden. Schrift definiert sich nicht im einmaligen Abgeben einer Information, sondern in der systematischen Wiederholung gleicher Begriffe in einer Wortkette. Ohne Schriftlichkeit – keine Hochkultur!

Mit der Sesshaftwerdung lernten die Mächtigen, schriftliche Kommunikation als Mittel zur Herrschaftsausübung anzuwenden, in Ökonomie, Religion, Kunst etc.

Sumerische KeilschriftUm 3000 v. Chr. entwickelten die Sumerer als Begründer einer der ersten Hochkulturen auf dem Territorium des heutigen Iraks eine Bilderschrift, bei der Zeichen mit einem dreieckig zugespitzten Griffel abwechselnd von rechts nach links und von links nach rechts in weichen Ton eingeritzt wurden. Die Griffel benutzte man von zwei Enden. Ein rundes für Zahlen, das andere gespitzte Ende für Bilder. Es gab ca. 600 verschiedene Zeichen, die nicht viele beherrschten, und so erblühte der einflussreiche Beruf des Schreibers.

Ägyptische HieroglyphenFast parallel dazu entwickelten die Ägypter die Hieroglyphen, die mit weich gekauten Binsen auf Papyrus geschrieben wurden. Während einer 13-jährigen Ausbildung musste ein Schreiber ca. 1000 Zeichen erlernen.

Ab etwa 2000 v. Chr. lebte an der Ostküste des Mittelmeeres das semitische Volk der Phönizier, das auf weiten Handelsreisen per Schiff auch Kontakte zu Ägypten pflegte. Hier lernten sie die Hieroglyphen kennen, die sich aber für ihre Zwecke als zu kompliziert erwiesen. In Anlehnung an diese Schriftweise erfanden die Phönizier die 22 Zeichen eines Konsonantenalphabets, das die bis zu 30 verschiedenen menschlichen Laute darstellen konnte und überall einsetzbar war. Diese Erfindung wurde zur Mutter aller späteren europäischen Schreibweisen.

Zwischen 1200 und 700 v. Chr. übernahmen die europäischen Griechen das orientalische Konsonantenalphabet, setzten als Weiterentwicklung Vokale hinzu und schufen damit aus 24 Buchstaben das erste vollwertige Alphabet. Daraus entwickelten sich sowohl die etruskische als auch die lateinische Schrift ausschließlich in Großbuchstaben und fortlaufend (Scriptio continua). Aus diesen wiederum entstanden während des Mittelalters unter Beendigung der fortlaufenden Schrift, unter Hinzufügung von Interpunktion und Kleinbuchstaben alle bis heute verwendeten Schriftarten.

Griechische ZeichenObwohl sich die europäischen Schriften in ihrer Einfachheit gut anwenden lassen, ist die globale Welt weit entfernt von einheitlicher Schriftlichkeit. Russen, Griechen, Araber, Chinesen und Japaner sind nur einige Völker, die auf diesem Gebiet eigene Traditionen pflegen.
Ohne effektive Werkzeuge kann eine Schreibkultur nicht entstehen. Wurden erste Informationen mit Fingernägeln eingeritzt, so benutzte man bald Werkzeuge aus Holz, Stein, Knochen oder Metall. Während der Antike schrieb man mit einer Rohrfeder aus Schilf oder mit einem festen Griffel auf Wachstafeln. Das Mittelalter kannte die Kielfeder, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts von der Stahlfeder abgelöst wurde. 100 Jahre später wurde der Füllhalter erfunden. Die Möglichkeit, eine Kugel zum Schreiben einzusetzen, wurde bereits 1888 entdeckt, aber seinen Siegeslauf begann der Kugelschreiber erst nach 1945. Eine Renaissance des Faserschreibens, ähnlich wie im alten Ägypten, setzte zu Beginn der 1960er Jahre ein. Die Schreibmaschine und mehr noch der Computer hat die Schreibkultur verändert. Die Maschinen sind jedoch nicht in der Lage, wie alle ihre Vorgänger, die Individualität des Schreibers wiederzugeben.

Obwohl die 1445 von Johann Gutenberg gemachte Erfindung des Druckens mit beweglichen Lettern mit der Technik des Schreibens eng verwandt ist, hat sie diese nicht abgelöst. Sie hat ihr nur die Herstellung und Verbreitung großer Textmengen abgenommen, während sich das Handschriftliche mehr privaten sowie administrativen Angelegenheiten zuwendete. Zum Ausgang des Mittelalters verlagerte sich die Kunst des Schreibens vom Klerus auf breitere Bürgerschichten. Sie wurde allgemeines Bildungsgut; es entstanden Schreibstuben, und sie ging langsam in die Lehrpläne der Elementarschulen ein.

Einen höchsten Kulturfortschritt brachten die Erfindungen beschreibbaren Materials sowie der Tinten. Die Ägypter pressten Streifen der Papyrusstaude zusammen, Chinesen stellten erstmals Papier her und der König von Pergamon ließ aus den gespannten Häuten ungeborener Schafe das Pergament(papier) herstellen. Schreibflüssigkeiten aus Ruß, später aus Eisengallus mit diversen (Farb-)Zusätzen überstanden viele Jahrhunderte.

Vor der Schriftlichkeit gab es ausschließlich gesprochene Texte. Mit der Möglichkeit der Produktion von Schriftzeichen teilten sich die Aufgaben zwischen Redner und handwerklichem Schreiber, der einen mündlichen Text erst sichtbar machte. Schreiben ist daher letztlich ein Sprechen. Das frühe Mittelalter war geprägt durch die Herstellung von Manuskripten, handschriftlicher Kopien bereits bestehender Texte durch Kopisten-Mönche.

Günter Garbrecht 2008

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