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Grusskartenanlässe

Neujahrsgrüße

Die Römer verlegten 153 v. Chr. den Jahresbeginn vom 1. März auf den 1. Januar eines Jahres, auf den Tag des Amtsantritts ihrer Konsuln. Papst Innozenz XII. bestätigte diesen Termin 1691 n. Chr. Seit dem gilt der 1. Januar in weiten Teilen Europas und im westlichen Kulturraum als offizieller Jahresbeginn. Unabhängig davon gab und gibt es in unterschiedlichen Regionen und Zeiten andere Daten, und darüber hinaus wurden in denselben geographischen Gebieten mitunter verschiedene Neujahrstermine gleichzeitig verwendet. Für unsere ganz frühen Vorfahren ohne Kalender begann ein neuer Lebenszyklus mit dem Erwachen der Natur nach einem langen, kalten Winter. Sie hofften, dass sich auch für sie damit Chancen für einen Neuanfang ergäben. Sie feierten das Fest mit gemeinsamen Essen, mit Tänzen und auch mit kleinen Geschenken untereinander. Man weiß aus dem alten Ägypten, dass diese Geschenke aus sogenannten Neujahrsflaschen, aus Skarabäen, sowie aus Sprüchen bestanden, geschrieben auf Papyrusrollen.

Unsere europäischen Vorfahren hatten ähnliche Bräuche, jedenfalls war es im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit vielfach üblich, sich am Neujahrstag zu besuchen, um sich gegenseitig Glück für die Zukunft zu wünschen.

Mit dem Aufkommen der Buchdruckerkunst ließen sich zunächst Mitglieder des Adels in Frankreich und Österreich, später auch die wohlhabenden Bürger, Visitenkarten drucken, die sie bei ihren Besuchen bei Verwandten, Bekannten und Freunden zurückließen. Sehr bald demonstrierte man in der Wiener Gesellschaft mit der Anzahl der gesammelten Visitenkarten seinen Beliebtheitsgrad. Später artete dieser Brauch so sehr aus, dass man am Neujahrstag von Haus zu Haus lief, um möglichst viele seiner Karten schnell zu verteilen und noch ein wenig später ging man nicht mehr selbst, sondern ließ die Karten durch Bedienstete austragen.

Damit war aus einem zufälligen Zusammenspiel von tiefem Bedürfnis, geliebten Mitmenschen Glück zu wünschen, ihnen etwas zu schenken und von ihnen gleiches zu bekommen, aus zeitweise übersteigertem Brauchtum und aus neuen Techniken und Fähigkeiten die Neujahrskarte geboren, aus der sich die Karten zu all den jetzt üblichen Anlässen über die Jahrhunderte hinweg entwickelten!

Bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg war es üblich, zu beiden Anlässen am Jahresende, Weihnachten und Neujahr, Grüße per Post zu versenden. Dann hatte ein Verleger von Glückwunschkarten die Idee, beide Texte zu „Fröhliche Weihnachten und ein glückliches neues Jahr“ zu verbinden. Seitdem entscheiden sich viele Menschen, die schriftliche Grüße bevorzugen, eher für das Weihnachtsfest und für das neue Jahr dann, wenn sie jemanden vorher übersehen haben. Der Wunsch, den Beginn eines neuen Zyklus, mit allen damit verbundenen Chancen, mit anderen geliebten Menschen zu teilen, ist aber nicht erloschen. Er wird jedoch im Überschwang einer Sylvesternacht bequemer durch modernere Kommunikationsmittel erfüllt.

Günter Garbrecht 2014

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