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Jugendweihe/ Jugendfest

Mit Beginn der Neuzeit um 1500 vollzog sich – zunächst langsam – bei Teilen der Bevölkerung Europas eine innere Abkehr von der vorgegebenen Religion der römisch-katholischen Kirche. Sie folgten den Reformatoren wie Luther, Calvin und Zwingli oder wandten sich humanistischen Weltanschauungen zu. Philosophen entwarfen in den nächsten Jahrhunderten neue Lebensbilder, die endlich in die Aufklärung und die Französische Revolution einmündeten. Im 19. Jahrhundert wollten nicht mehr alle Eltern ihre Kinder nach der Schule automatisch in die kirchlichen Gemeinden entlassen, sondern gründeten freireligiöse Gemeinden, in denen auf formelle Lehren und Bekenntnisse verzichtet wurde. Aber erst mit Einsetzen der industriellen Revolution bekam auch die Arbeiterschaft Gelegenheit, sich zu organisieren und ihren Unmut gegenüber dem Staat sowie den kirchlichen Dogmen kundzutun. In den Arbeitervereinen, aus denen später politische Parteien und Gewerkschaften hervorgingen, wurde unter anderem über kirchliche Dogmen gestritten, was sich auch auf kirchliche Feste wie zum Beispiel Konfirmation und Firmung auswirkte.

Der in Nordhausen als Prediger wirkende Eduard Baltzer (1814–1887) war gleichzeitig Präsident des Bundes Freireligiöser Gemeinden Deutschlands. Er prägte 1852 als erster den Begriff „Jugendweihe“. Die Arbeiterbewegung übernahm die freidenkerische Tradition von den freireligiösen Gemeinden:

  • Völlige geistige Freiheit in der Religion statt Bindung an Dogmen und Bekenntnisse.
  • Uneingeschränkter Gebrauch der Vernunft in der Religion statt Berufung auf äußere Autorität und Überlieferung.
  • Großzügige Duldsamkeit verschiedener Religionsansichten und Gebräuche statt Beharren auf Einheitlichkeit der Lehre, des Brauchtums und der Verwaltung.

Die Lösung von den Kirchen bedeutete für die Freidenker nicht die Lösung von der Religion. Sie verstanden sich als frei in der Religion.

Mit dem Ende der Schulzeit, für die meisten damaligen Kinder im Alter von 14 Jahren, wurde die Jugendweihe gefeiert, der eine Unterweisung in weltanschaulichen Dingen vorausging. Nach einem Vortrag des Lehrers wurde den Geweihten ein Gedenkbuch überreicht. Begleitet wurde die Feier mit Gesängen und Lesungen aus weltlichen Büchern.

Der Anteil der Schulentlassenen an den Jugendweihen blieb dennoch gering. In der Weimarer Republik betrug er gerade einmal 5 Prozent. Konfirmation und Firmung blieben die Norm. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Jugendweihen nicht generell verboten, sondern nur solche, die von bestimmten verbotenen Freidenkergemeinden angeboten wurden. Die Nationalsozialisten führten daneben die „Schulentlassungsfeier“ ein, die 1940 in „Nationalsozialistische Jugendleite“ umbenannt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte man in beiden deutschen Staaten zur Jugendweihe zurück, jedoch in unterschiedlicher Weise.

In der Deutschen Demokratischen Republik verloren die christlichen Kirchen weitgehend an Bedeutung, somit auch die Konfirmation sowie die Firmung. Die dort in der NS-Zeit verbotenen freidenkerischen Organisationen durften sich neu gründen und benutzten die Jugendweihe als eine Zeremonie zur Aufnahme. Unter der Regierung von Walter Ulbricht wurde die Jugendweihe ein Instrument der Erziehung im Sinne der SED. Wer nicht teilnahm, hatte mit Repressionen zu rechnen. Der Weiheveranstaltung ging eine mehrwöchige Schulung voraus,  in der unter anderem der Sozialismus sowie der Sinn des Lebens behandelt wurden. An dem Festakt selbst, zu dem alle Angehörigen eingeladen wurden, legten nach diversen Reden die Geweihten ein Gelöbnis auf den Arbeiter-und-Bauern-Staat, die Freundschaft mit der Sowjetunion sowie den Kampf gegen die imperialistische Bedrohung ab.

In der Bundesrepublik Deutschland setzten die Verbände der Freidenker, die Gewerkschaften und die linksgerichteten Parteien ihre frühere Tradition fort. Der Anteil der Jugendweihe an den Schulentlassungsfeiern blieb jedoch weiterhin gering. 

Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten kam für den Begriff „Jugendweihe“ der der „Jugendfeier“ auf, um sich von den politischen Veranstaltungen in der ehemaligen DDR abzuheben.

In einigen anderen Staaten Europas wie zum Beispiel Schweden, Norwegen, Österreich und der Schweiz kennt man ähnliche Feiern. In den meisten christlich orientierten Ländern jedoch nicht.

Günter Garbrecht 2015

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