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Geschichte

Die Vogelfeder

Die Vogelfeder

Gern an Schüler gestelltes Rätsel aus dem 8. Jh. n. Chr. 
Einfach bin ich, und von nirgendwo wird mir Weisheit zuteil; aber mit einem Schritt, den jeder kluge Mensch nachtut, erreiche ich jeden Punkt der Erde und laufe den himmlischen Horizont der Formen entlang. Ganz weiß bin ich, eine schwarze Spur aber lasse ich zurück. Wer bin ich?

Der Federkiel natürlich, ein Schreibgerät, hergestellt aus den Schwungfedern eines Vogels.

Mit dem Verfall des Römischen Reiches zum Ende des 5. Jh. n. Chr. verblieb im europäischen Mittelalters außer der Erinnerung daran als wesentliche Organisationsform nur die katholische Kirche übrig. Diese stützte sich verwaltungstechnisch auf das Klosterwesen. Hier saßen im weiteren Verlauf des Mittelalters gebildete Mönche an Schreibpulten, des Lesens und Schreibens mächtig. Sie fungierten unter anderem als Kopisten von Texten auf Pergament sowie als Lehrer von Schriften, wie zunächst der Unzialschrift, später der karolingischen Minuskel oder endlich Formen der gotischen Schrift. 

Die Weiterentwicklung der Schriften erforderte neue Schreibtechniken und damit auch andere Schreibgeräte. Wurde die im 4. Jh. entwickelte Unzialschrift mit der Rohrfeder geschrieben, so zog man für spätere Schriften den so genannten Gänsekiel vor. Er garantierte einen schnelleren Schreibfluss ohne sich in der Hand zu drehen, war elastischer und reagierte zuverlässiger auf den Druck der Hand auf das zu beschreibende Material. Es kamen jedoch nicht nur Gänsefedern zum Einsatz. Federn von der Ente, dem Raben und dem Auerhahn waren sehr hart und eigneten sich besonders für präzise Schriften. Gans und Adler lieferten Federn für mittlere Schriftstärken. Die große Feder des Schwans hielt besonders viel Tinte. Nach der Entdeckung Amerikas verwendete man auch die Federn des Truthahns. 

Vogelfeder schnitzenZu gebrauchen waren nur die fünf äußeren Federn vom Flügel eines Vogels. Linkshänder verwendeten wegen deren leichter Krümmung die vom rechten Flügel und umgekehrt. Als erstes verlangte das Schreiben mit der Feder eine korrekte Körperhaltung, zweitens eine genaue Kenntnis über das Härten und Schneiden der Feder und über die Zubereitung der Tinte. Das Problem bestand darin, die Fette aus dem Kiel zu entfernen, damit sich die Tinte darin nicht festsetzen konnte. Dazu wurden die frischen Federn zunächst ein Jahr lang eingelagert. Die Bearbeitung begann mit der Entfernung der Befiederung, der Kiel wurde schräg angeschnitten und das Mark daraus entfernt. Dann weichte man ihn in Wasser ein, bis er ganz weiß geworden war. Danach wandte man unterschiedliche Techniken an. Entweder legte man den Kiel in heißen Sand oder Potassiumlösungen, schwenkte ihn über glühenden Kohlen bzw. Wasserdampf so lange, bis die Spitze transparent und hart geworden war. Mit einer kleinen, scharfen Klinge wurde die Haut abgeschabt und die Spitze ihrer Bestimmung entsprechend beschnitten.

Ein auf uns gekommenes Relikt aus dieser Zeit ist die kleine Klinge an den modernen, aufklappbaren Taschenmessern. Der Schnitt verlangte viel Erfahrung sowie Geschicklichkeit und wurde von den Kalligraphen stets als großes Geheimnis gehütet. Ein 1544 veröffentlichtes Traktat zu diesem Thema besagte:
„Die Feder wird zwischen den ersten Fingern der linken Hand gehalten, während beim Federmesser in der Rechten die Klinge nicht mehr als daumenbreit aus dem Griff herausgezogen sein soll, weil sie nahe der Spitze sicherer schneidet als der Mitte zu; alsdann drücke man den Daumen der Rechten auf den vierten Finger, um die Spitze zu stützen. So beginne man den Kiel aufzuschlitzen, indem man die Schneide zwischen Daumen und zweitem Finger leicht dreht. Was danach an Notwendigem und Schwierigem bleibt, ist das Abtrennen der Spitze...“ 

Werden nämlich beide Seiten der Spitze gleich lang geschnitten, so dass der Spalt genau in der Mitte sitzt, so eignet sich die Feder für starke senkrechte und feine waagerechte Linien sowie dicke Querbalken. Schneidet man die linke Seite kürzer als die rechte, so ist die Spitze besser für wechselnde Schwünge und Schnörkel zu gebrauchen. Feine Linien lassen sich mit einer rechts schräg geschnittenen Feder besonders gut ziehen. 
Später wurden Techniken entwickelt, bei denen die Fahnen am Kiel der Feder belassen und eingefärbt werden konnten. Gelb aus Safran, blau mit einer Lösung aus Indigo, Schwefelsäure und Alaun, rot mit Zinnober und grüne Federn erhielt man, in dem blaue in ein gelbes Bad gelegt wurden.

Trotz aller Bearbeitung nutzten sich Vogelfedern beim Schreiben sehr stark ab. Zu Beginn des 19. Jh. wurden in Deutschland zirka 50 Millionen Federkiele pro Jahr verbraucht. Ein berufsmäßiger Schreiber benötigte zirka fünf Stück pro Tag. Thüringer Glasbläser erfanden eine Feder aus Glas, die sich aber trotz ständig verbesserter Qualität als viel zu zerbrechlich erwies. 

Langsam setzte sich die billigere, in England entwickelte Stahlfeder durch, die in unterschiedlichen Breiten mittels eines Federhalters handschriftliches Schreiben besser unterstützte. Mit der Erfindung der Redisfeder mit kugeligem Kopf durch Friedrich Soennecken wurde gleichmäßiges Schreiben gewährleistet.
Günter Garbrecht 2009

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