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Geschichte

Der Kugelschreiber


Mit der Erfindung des Füllhalters hatte man für die schreibende Zunft ein bis dahin hinderliches Problem gelöst: Man konnte jetzt überall, ohne Tintenfass und ständigem Eintauchen der Feder, etwas schriftlich festhalten, das mit der richtigen Tinte sogar dokumentenecht war. Aber es gab dennoch Umstände, in denen der Füllhalter nicht sicher funktionierte, zum Beispiel unter dem verminderten Luftdruck in einem Flugzeug. Auch ärgerte sich manch einer, der plötzlich mit einem großen blauen Fleck auf der Brust dastand, weil ihm der Füller in der Innentasche des Jacketts ausgelaufen war. Vom ausgelaufenen Füller in der Büchertasche von Schülern ganz zu schweigen. Der Bleistift stellte keine Alternative dar. Ständiges Anspitzen und die Entfernung des Abfalls waren lästig. Es gab also allen Grund, nach einem Schreibgerät zu forschen, das allen möglichen Anforderungen genügte.

Es wird berichtet, dass sich bereits Galileo Galilei im 16. beziehungsweise 17. Jh. Gedanken über ein solches Schreibgerät gemacht haben soll, aber entsprechende Aufzeichnungen sind nirgends zu finden. Erst Ende des 19. Jh. hatte der Amerikaner John J. Loud die Idee, Tinte mittels einer Kugel auf ein Material aufzubringen. Er wollte Leder beschriften.   Der kroatische Erfinder Slavoljub E. Penkala erhielt 1906 ein Patent für einen Prototypen eines Kugelschreibers, aber erst dem gebürtigen Ungarn Láslό J. Bίrό gelang der endgültige Durchbruch.

Bίrό war Zeitungsredakteur und Erfinder von Haus aus, denn schon sein Vater hatte neue Geräte für seine Zahnarztpraxis entwickelt. Vielleicht kam ihm die richtige Idee, als er den Druckmaschinen zusah, deren Zylinder sehr schnell und schmierfest dickflüssige, schnelltrocknende  Tintenpaste auf Papier aufbrachten. Möglicherweise beobachtete er seine Kinder beim Murmelspielen und sah eine der Kugeln eine dünne Spur hinterlassen, nachdem sie durch eine Pfütze gerollt war. Zusammen mit seinem Bruder Georg, einem Apotheker, entwickelte er eine spezielle Paste für eine Mine, an deren spitzen Ende er eine Kugel befestigte, die rollend die Farbe auf das Papier brachte.  Erstmals  erhielt er 1938 in Ungarn ein Patent auf ein Schreibgerät, das er GoPen nannte. Dieses hatte jedoch noch so viele Mängel, dass es sich nicht durchsetzte. Ende 1938 ließ er in den USA ein Patent eintragen für ein verbessertes Gerät unter dem Namen „Fountain Pen for Pulpy Ink“, das später den Namen „Ball Pen“ erhielt.

Bίrό war jüdischen Glaubens und musste deshalb 1940 nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Ungarn mit seiner Familie zunächst nach Frankreich und dann nach Argentinien flüchten. Hier gründete er die Firma SYLVAPEN und ließ 1943 sein Patent neu registrieren. Hier fand er in der Niederlassung der schwedischen Kugellagerfabrik SKF den Partner, der in der Lage war, die passenden Kugeln für sein Schreibgerät zu fertigen. 1945 kam der „birome“, so nennt man seitdem den Kugelschreiber in Argentinien, auf den Markt.

Láslό J. Bίrό wurde ein berühmter Mann in Argentinien. Noch heute wird dort sein Geburtstag am 29. September öffentlich gefeiert.

Als die beiden Briten George Martin und Frederick Miles den Kugelschreiber sahen, erkannten sie sofort die geschäftliche Potenz, die in ihm steckte. Sie kauften  Láslό J. Bίrό die Patentrechte ab und gründeten 1944 in England die erste Kugelschreiberfabrik, in der sie Kugelschreiber in Serie produzierten. Sie erreichten einen Durchbruch für das Produkt, nachdem sie bereits im ersten Jahr 30.000 Stück an die britische Luftwaffe geliefert hatten, die klecksfreie Schreiber für ihre Flugzeugbesatzungen in großer Höhe benötigte.

In Großbritannien nennt man einen Kugelschreiber „biro“ wie in vielen anderen Ländern auch. In Frankreich heißt er „biron“. In Amerika „ballpoint“, in Kroatien „Penka.“ Das oft in Deutschland für den Kugelschreiber verwendete Wort „Kuli“ bezog sich aber ursprünglich auf einen Füllfederhalter mit röhrenförmiger Spitze.

Auch der Amerikaner Milton Reynolds aus Minnesota, USA, sah das geschäftliche Potenzial für den amerikanischen Markt, als ihm einer der seltenen „biromes“ aus Argentinien gezeigt wurde. Reynolds war eine schillernde Persönlichkeit, der mehrmals mit seinen Unternehmungen zu großem Reichtum gekommen war und dann wieder in völlige Armut fiel. Er war als Milton Reinsberg geboren worden, hatte seinen Namen aber geändert, weil er die antisemitischen Vorurteile seiner Kunden fürchtete. Als er die Lizenz für die USA von Láslό J. Bίrόs Firma Eterpen nicht bekommen konnte, weil die bereits an eine Kooperation zwischen Eversharp und Eberhard Faber vergeben war, beauftragte er die Techniker William Huenergardt und Titus Haffa mit einer Neukonstruktion, die nicht gegen die Lizenz von Bίrόs Produkt verstoßen sollte. Das neue Produkt basierte auf einem Kapillarsystem, das jedoch wesentlich dünnere Tinte benötigte sowie größere Kolben, um nicht ständig nachfüllen zu müssen. Reynold wusste von den Mängeln seines Schreibgerätes, das zum Auslaufen neigte, presste es jedoch durch geschickte Werbung in den Markt. Da man tatsächlich damit auf nassem Papier schreiben konnte, bewarb er es mit dem Slogan „Es schreibt auch unter Wasser!“ Obwohl kaum jemand in die Lage kommt, unter Wasser schreiben zu müssen, stürmten am Einführungstag, dem 29. Oktober 1945, ca. 5000 potentielle Käufer das Kaufhaus Gimbels in New York, um das für die damalige  Zeit horrend teure Schreibgerät für  12,50 Dollar zu erwerben.

Die Firma Eversharp verklagte darauf Reynolds auf Patentverstoß und dieser antwortete mit einer Gegenklage wegen Behinderung im Markt. Schließlich einigte man sich. Reynolds verdiente in den nächsten Jahren viel Geld mit der Herstellung von „ballpoint pens“, obwohl die Stifte sich als Fehlkonstruktion erwiesen, als Schreibgeräte relativ unbrauchbar waren. Sie schmierten, klecksten, liefen aus oder setzten beim Schreiben aus. Außerdem waren sie schlecht verarbeitet. In nicht wenigen Fällen fehlte die Kugel an der Spitze völlig. Es gab Reklamationen ohne Ende. Reynolds verkaufte seine Anteile an der Firma als er merkte, dass die Konkurrenten Eversharp, Parker Pen Company und Waterman ihn mit qualitativ besseren und billigeren Kugelschreibern im Markt zu überholen begannen. Er verbrachte den Rest seines Lebens auf seiner Hazienda in Mexico. Die Firma wurde später in Teile zerlegt und verkauft.

Reynolds hatte seine Produkte nach dem Zweiten Weltkrieg auch nach Europa exportiert. 1950 kostete ein solcher Kugelschreiber in Deutschland ca. 20 D-Mark. Weil die Qualität jedoch so schlecht war, durften sie zunächst in Behörden oder in Schulen nicht benutzt werden. Auch heute noch sollen Schüler bis zum 2. Schuljahr, von Ausnahmen abgesehen, erst nach Erlernen einer verbundenen Schrift sowie dem Umgang mit einem Füllhalter einen Kugelschreiber benutzen.

In Frankreich kaufte der Baron Marcel Bich eine Lizenz von Láslό J. Bίrό aus Argentinien zur Herstellung von Kugelschreibern. Bich war Manager einer Tintenfabrik und kannte sich mit Schreibgeräten aus. Er bekam das Problem des Klecksens und Schmierens in den Griff und ihm gelang mit einer eigenen Firma die Herstellung sehr preiswerter Einwegkugelschreiber unter dem Markennamen „BIC“ der endgültige Durchbruch zu einem Massenprodukt.

Ab den 1950er Jahren produzierten diverse Firmen Kugelschreiber, obwohl sie teilweise gar keine Patentrechte erworben hatten. In Deutschland stellte die ursprüngliche Schraubenfabrik Schneider in Schrammberg in den 1950er Jahren ihre Produktion auf Kugelschreiberminen um und entwickelte sich durch gute Qualität zum Marktführer. Schneider bezahlte bis zum Erlöschen der Patente ca. 19 Millionen D-Mark an Lizenzgebühren. Neben der Produktion hochwertiger Minen wurde die Firma Schmidt Technology GmbH in St. Georgen im Schwarzwald für ihre Entwicklung von Drucktechniken bekannt.

Als eine moderne Sage geistert durch die Welt, dass die NASA für ihr Raumprogramm für eine Millionen Dollar einen Kugelschreiber herstellen ließ, der im Weltall unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit zu jeder Zeit funktioniert, währen die Russen einfach einen Bleistift verwendeten. Tatsache ist es, dass auch die Russen spezielle Kugelschreiber verwendeten, weil der giftige Grafitstaub des Bleistifts unter Schwerelosigkeit von den Astronauten leicht eingeatmet werden kann sowie elektrisch leitet und somit Kurzschlüsse in den Raumkapseln verursachen könnte. Im Museum der NASA kann der zuerst verwendete Kugelschreiber bestaunt werden, der 1965 von der Firma Fisher Space Pen Co. in Boulder City, Nevada, USA, unter Mithilfe des österreichischen Erfinders Friedrich Schächter und dem Mechaniker Erwin Rath auf eigene Kosten entwickelt wurde.

Ein Kugelschreiber besteht aus einem Gehäuse und einem darin geführten, mit zähflüssiger Tinte gefüllten Röhrchen aus Metall oder Kunststoff. An der Spitze des Röhrchens befindet sich in einer Führung aus nicht rostendem Metall eine kleine Kugel aus Hartmetall oder Keramik, die das Auslaufen der Tinte verhindert und sich beim Aufdrücken zum Beispiel auf Papier langsam dreht, mit ihrer Rückseite etwas von der Tintenpaste aufnimmt und mit der Drehung die schnell trocknende Tintenpaste auf den Untergrund streicht. Das andere Ende des Röhrchens ist offen oder mit einem luftdurchlässigen Verschluss versehen, damit im Röhrchen bei Verminderung der Paste kein Vakuum entstehen kann. Das Austrocknen der Tinte verhindert eine Masse, die auf der Druckpaste im Röhrchen schwimmt und keine Luft durchlässt. Billige Minen müssen beim Schreiben immer mit der Spitze nach unten gehalten werden, weil die Paste durch die eigene Schwerkraft ausläuft. In teurere Minen wird Stickstoff eingefüllt, der die Paste weiter drückt. Mit solchen Minen kann auch über Kopf geschrieben werden. Der „Space Pen“ besitzt zusätzlich ein kolbenartiges Metallplättchen hinten im Röhrchen, das auf die vorgelagerte Gaspatrone drückt und die Paste nach vorn schiebt und somit den Stift auch unter Schwerelosigkeit funktionieren lässt. Die Strichdicken der Kugeln bewegen sich zwischen 0,2 und 1,4 mm, es gibt Pasten für sehr viele Farben. Obwohl die Tinte auf dem beschriebenen Untergrund schnell trocknet, trocknen die Spitzen der Kugelschreiber nicht ein. Die Stifte benötigen deshalb nicht unbedingt eine Kappe.

Bei billigen Kugelschreibern sind das Gehäuse und die Mine fest verbunden. Die Minen in teureren Schreibern können ausgetauscht werden. Für die Gehäuse gibt es inzwischen unzählige Dreh-, Schiebe-, und Drucktechniken mit denen die Minenspitzen ein- und ausgefahren werden können. Es gibt Kugelschreiber mit mehreren Minen in verschiedenen Farben und es gibt sie in Luxusausführungen in allen Preisklassen.

Günter Garbrecht 2015

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