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Geschichte

Der Füllfederhalter

 

Der Füllfederhalter

Man darf mit Recht annehmen, dass es den Schreibenden seit eh und je zuwider war, ihr Schreibgerät bei der Arbeit alle Augenblicke in einen Tintenbehälter eintauchen zu müssen, den man daher auch noch stets bei sich führen musste. Schon im 10. Jahrhundert n. Chr. appellierte der Kalif al-Mu’izz an die Kunsthandwerker seines Landes: ~ es müsse ihnen doch gelingen, ein Schreibwerkzeug herzustellen, das das lästige Eintauchen in Tinte überflüssig mache! Offensichtlich ist es ihnen aber nicht gelungen und auch späteren Generation von Tüftlern nicht, wie zum Beispiel dem böhmischen Pfarrer Johann Mathesius, der sich 1538 mit Schreibfedern aus Messing abmühte, „ ~die man voller Tinte mit sich führen kann!“. Metallhandwerker in Augsburg aber scheinen nach einer aus dem Jahr 1632 vorliegenden Beschreibung auf dem richtigen Weg gewesen zu sein. Nur, ihren ersten Prototypen eines Füllfederhalters verschenkten sie an König Gustav II. Adolf von Schweden. Was daraus geworden ist, darüber weiß man allerdings nichts.

Füllfederhalter1740 erfand der französische Ingenieur am Hofe Ludwigs XIV., Nicola Bion, einen Füllfederhalter, der eine Spitze aus Vogelfeder mit Tinte aus einem Tank versorgte. Er nannte ihn die „unendliche Feder“. 1864 folgte sein Landsmann Mallat mit seinem Syphoïde, der genügend Tinte für zwei Tage halten sollte. Auch diese Konstruktionen sowie viele weitere, zum Teil abenteuerliche Modelle brachten nicht den Durchbruch. Alle Erfinder gerieten in eine Sackgasse, weil sie gedanklich von dem Prinzip der Vogelfeder ausgingen. Nämlich, dass man in ein Rohr, aus welchem Material auch immer, nur genügend Tinte einfüllen müsse, die dann über die Feder an der Spitze auf das zu beschreibende Material fließen würde. Man wusste nicht, dass im Rohr ein Vakuum entsteht, das den Fluss der Tinte verhindert. Als weiteres ungelöstes Problem erwiesen sich die aggressiven Tinten, die alle Behälter nach kurzer Zeit zerfraßen.

Im 18. Jahrhundert waren die Handwerker der Alten Welt in deutlich voneinander abgegrenzten Berufsständen organisiert. Gediegene Ausbildung gewährleistete hohe Qualität der Ausführung. Metallhandwerker wie zum Beispiel die Goldschmiede stellten in kleinen Mengen hochwertige Schreibfedern aus Gold und Silber her, mit Spitzen aus Rubinen, dem Platinmetall Rhodium und später aus Iridiumstahl, die auf zum Teil aufwändig gefertigte Federhalter aufgesteckt wurden. Die aufstrebenden jungen Staaten Amerikas dagegen setzten ein riesiges Potenzial an Kreativität von völlig Berufsfremden frei. Trotz aller früheren Erfindungen irgendwo in der Welt wurde der Füllfederhalter zum Exempel amerikanischer Karrieren.

Zwar stellten in den 1880er Jahren mehrere amerikanische Produzenten von Federhaltern, zum Beispiel Paul E. Wirt, in Bloomsburo, Pa. oder Mabie, Todd & Bard, in N.Y. City bereits auch Vorstufen von Füllfederhaltern her, die jedoch mehr oder weniger gut funktionierten und daher schwer verkäuflich waren.

Diese Erfahrung musste auch der Versicherungsvertreter Lewis Edson Waterman 1883 in New York machen. Eine schöne Geschichte – die möglicherweise eine Legende ist – besagt, dass, als er einen wichtigen Abschluss von seinem Kunden unterschreiben lassen wollte, diesem der Füllhalter aus- und die Tinte über das Vertragswerk lief. Der Auftrag ging verloren. Der Selfmademan Waterman, der schon in diversen Berufen gearbeitet hatte, setzte sich hin, nahm den Füllhalter auseinander und erkannte das Problem des Vakuums. Er schnitzte einen Tintenleiter, der über Längsschlitze soviel Luft in den Tank eindringen ließ, wie Tinte über die Feder abfloss. Der Ideal Fountain Pen, ein Federhalter mit Tintentank, der gleichmäßiges Schreiben zuließ, war geboren. 1884 erhielt Waterman sein Patent und begann im Hinterzimmer eines Zigarrengeschäfts in N.Y. City zu produzieren. Im ersten Jahr 200 Stück, im Jahr darauf ca. 500 Stück. Nach einer ersten Zeitungswerbung kamen dann so viele Aufträge zusammen, dass ein neues Quartier gefunden werden musste. Bald wurden Fabriken in New York, Seymour, Connecticut und in Montreal, Kanada, errichtet. Waterman fand fähige Mitarbeiter und auf der Weltausstellung in Paris 1900 erhielt die Firma mehrere Goldmedaillen. Nach dem Tode des Gründers 1901 expandierten die Nachfolger über die Vereinigten Staaten hinaus. 1906 brachte Waterman einen Füller heraus, dessen Feder mittels einer Schraube am hinteren Ende ein- oder ausgezogen werden konnte, den Safety. Bis in die 20er Jahre war das Unternehmen trotz brutaler Konkurrenz bei den Kunden und im Gerichtssaal durch viele Innovationen äußerst erfolgreich. Danach dümpelte es so dahin und musste 1954 ganz schließen.

George Parker, Lehrer in Janesville, Wisconsin, reparierte in seiner Freizeit die Füllfederhalter seiner Schüler. 1888 entschloss er sich, selbst solche Schreibgeräte herzustellen und gründete mit Hilfe eines Sponsors die Parker Pen Company. Sein erster großer Erfolg war 1895 der Lucky Curve, ein Füller mit gebogenem Tintenleiter, der nicht gebrauchte Tinte wieder in den Tank zurückfließen ließ. In der Zukunft folgten viele neue Erfindungen und Weiterentwicklungen. Im Ersten Weltkrieg belieferte die Parker Pen Company die amerikanischen Soldaten mit Trench-Pens. Selbst in den Schützengräben konnten diese Füllfederhalter mit in Wasser aufgelösten Tintentabletten nachgefüllt werden.

Roy Conklin aus Toledo, Ohio, löste die Tintenbefüllung durch einen Gummisack, bei dem durch Eindrücken ein Vakuum erzeugt und die Tinte eingesaugt wurde. Der Crecent Filler war ein sehr effektives Gerät, aber nicht von besonderer Schönheit. Der Firma gelang es nie, dem ästhetischen Empfinden der Käufer zu entsprechen und musste trotz der hohen Qualität ihrer Produkte in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts ihre Produktion einstellen.

Walter Sheaffer aus Bloomfield, Iowa, verkaufte im Juweliergeschäft seines Vaters unter anderem wertvolle Füllfederhalter. Er entwickelte das System von Conklin weiter, in dem er an der Seite des Kolbens einen Hebel anbrachte, mit dem man wie mit einem Pumpenschwengel den Gummisack im Inneren ein- und ausdrücken konnte. Als es ihm auch noch gelungen war, dem Gerät eine ansprechende Form zu verleihen, gründete er 1912 die Sheaffer Pen Company, die eine der erfolgreichsten der Welt werden sollte, bis heute überlebt und zur BIC Corporation in Shelton, CT, USA gehört.

Waterman, Parker, Conklin und Sheaffer gehören zu der Pioniergeneration des Füllfederhalters, eines Schreibgerätes, das sich weltweit nicht nur zu einem effektiven Arbeitsgerät in Schule und Beruf, sondern parallel zu einem der begehrtesten Prestigeobjekte entwickelte. Amerika hatte zur Kulturgeschichte des Schreibens eine neue Seite aufgeschlagen.

Ab 1915 trat die Wahl Eversharp Company in den Markt ein. Sie hatte die Rechte an einem sehr erfolgreichen Druckbleistift einer japanischen Firma mit Namen Eversharp aufgekauft, dazu einige Patente amerikanischer Hersteller von Füllfederhaltern und entwickelte sich in den nächsten Jahren zu einer der umsatzstärksten Firmen für Schreibgeräte. Zu den eigentlichen Pionieren kann sie jedoch nicht mehr gezählt werden.

Neben den oben genannten Firmen gab es eine ganze Reihe anderer, die sich mit diesem Artikel beschäftigten, jedoch niemals deren Bedeutung gewannen. Erwähnenswert ist noch die Eagle Pencil Companie aus N.Y. City, die einen Federhalter mit auswechselbarer Glaspatrone erfand. Leider konnte die Dichtigkeit der Patrone nie garantiert werden und musste deshalb wieder vom Markt genommen werden. Diese glänzende Idee kam für den damaligen Stand der Technik zu früh.

Mit einer gewissen Verzögerung beschäftigten sich auch Unternehmen in Ländern wie England, Frankreich, Italien, Japan und Deutschland mit der Herstellung und dem Vertrieb von Füllfederhaltern. Dazu wurde zunächst amerikanische Technik übernommen und weiterentwickelt oder Teile wie zum Beispiel die Goldfedern der führenden Firma J. Morton, N.Y. importiert.

1909 begann die bereits 1884 von der amerikanischen Firma Mabie, Todd & Co., N.Y. als Tochtergesellschaft in England gegründete Firma unter dem Markenzeichen Swan mit dem Verkauf von Füllhaltern. Der Hauptteil der Geräte wurde noch bis 1930 in Amerika gefertigt. Swan-Füllhalter galten bald in ganz Europa als Inbegriff von Luxus.

In Frankreich begann die Firma Mallat 1920 mit der Produktion, die sie in den 50er Jahren wieder einstellte. Stylomine entwickelte den 303, ein Modell von hoher Qualität. Neben einigen anderen Unternehmen, die längst wieder vom Markt verschwunden sind, entwickelte sich ab 1926 der Importeur der Waterman Produkte, Jules Isidor Fagard (JiF) zum Marktbeherrscher. 1935 brachte er einen Füller heraus, der mit einer jetzt funktionierenden Glaspatrone bestückt wurde. Nach der Schließung der amerikanischen Muttergesellschaft Waterman Pen Company erwarb JiF die verbleibenden Anteile an den französischen und britischen Töchtern und trat fortan unter dem Namen Watermann S.A. auf. Mit dem Modell Waterman C. F. Cartridge brachte die Firma 1954 die perfekte Kunststoffpatrone auf den Markt und leitete damit eine Revolution ein. Heute gehört das Unternehmen zum Gillette Konzern, wie übrigens auch die Firma Parker Pen.

In Turin in Italien wurde 1920 die Firma Aurora gegründet. Im Krieg gegen Abessinien 1935 rüstete sie die italienischen Soldaten mit einem sandfarbenen Füllfederhalter mit Namen „Etiopia“ aus. In den 50er Jahren kreierte die Firma den ersten Füller mit Reservetank.

OMAS (Officina Meccanica Armando Simoni) wurde 1925 in Bologna gegründet und stellte über drei Generationen ganz hochwertige Kolbenfüllfederhalter in Handfertigung her. Das Design entspricht der griechischen Klassik, die Tintenleitwerke werden aus Ebonit gefertigt. 1996 ließ die Firma von zwölf Designern, Wissenschaftlern und Sportlern Füllfederhalter für Kinder entwerfen, deren Erlös dem Kinderhilfswerk der UNICEF zu Gute kam. Im Jahr 2000 wurde das Unternehmen vom Moët Hennessy Louis Vuitton-Konzern übernommen. OMAS bringt zu besonderen Anlässen, wie zum Beispiel dem fünfzigsten Jahrestag der UNO, der Übergabe Hongkongs an China, der 3000-Jahr-Feier Jerusalems etc. Luxusmodelle in limitierter Auflage heraus, für die Sammler bereit sind, tief in die Tasche zu greifen.

Japanischen Unternehmen verdanken wir eine ganze Reihe technischer Innovationen.
1911 bekam der Gründer der Firma Sailor in Hiroshima von einem britischen Seemann einen Füllhalter geschenkt. Er war derart begeistert, dass er sich als erster entschloss, solche Geräte in Japan herzustellen und zu vertreiben.

Die Pilot Pen Company wurde 1918 in Tokio gegründet. Sie stellte u. a. den in traditioneller Lacktechnik überzogenen Namiki her, der zwischen 1930 und 1939 in Europa und Amerika durch die Firma Alfred Dunhill Ltd. in London mit 30 Jahren Garantie vertrieben wurde und sich bei Sammlern großer Beliebtheit erfreut. Alle weiteren von der Pilot Pen hergestellten Produkte laufen unter dem Markennamen Pilot. Die Firma entwickelte als technische Neuheit eine versenkbare Feder sowie einen Füller, dessen Halter und Feder aus einem Stück gearbeitet werden.

In Okayama wurde 1919 die Firma Nakaya Seisakusho gegründet, die bald in Platinum Pen Company umbenannt wurde. Der Enkel des Gründers ließ in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts den alten Namen wieder aufleben und stellt mit pensionierten Mitarbeitern von Platinum klassisch handgearbeitete Modelle her.

Ab Anfang des 20. Jahrhunderts beschäftigten sich in Deutschland die Firmen Sönnecken in Bonn, Heintze & Blankertz in Berlin und vor allem Kaweco in Heidelberg mit der Produktion von Füllfederhaltern. Etwas später beteiligte sich auch der in Iserlohn ansässige Federhersteller Brause an dieser Sparte. Er steuerte Federn für besondere Schriften und für Linkshänder bei.

1925 erwarb die Firma Günther Wagner (Pelikan) in Hannover, die seit 1838 unter anderem Tintenflüssigkeiten herstellte, von dem ungarischen Ingenieur Theodor Kovác ein Patentrecht für einen Kolbenfüllhalter mit Differenzialgetriebe. Ab 1929 produzierte sie damit einen kleckssicheren Füllhalter mit transparentem Tinten-sichtfenster und der bekannten grün marmorierten Binde. Neben anderen erfolgreichen Modellen entwickelte sich ab 1960 der mit einer Kunststoffpatrone gefüllte Pelikano zum meistgebrauchten Schulfüller in Deutschland. Ebenso entstanden Füller, die mit spezieller Tusche gefüllt werden konnten, so dass auch die zeichnende Zunft sie benutzen konnte. Pelikan löste das Problem der aggressiven Tinten.

In Konkurrenz auf dem Füllfederhaltermarkt stehen mit Pelikan bis heute neben kleineren Produzenten Firmen wie Rotring, Schwan Stabilo, Faber-Castell, die 1922 in Berlin gegründete Firma Diplomat Schreibgeräte GmbH sowie die in Mainz ansässige Tochter der amerikanischen Firma A. T. Cross, die seit 1846 Schreibgeräte im Staate Rhode Island, USA, herstellt, neben einer langen Liste von ausländischen Unternehmen mit zum Teil ganz hochwertigen Produkten.

1930 gründete der ehemalige Vertreter der Parker Pen Company in Deutschland, C. Josef Lamy, in Heidelberg eine eigene Firma zur Herstellung von Füllfederhaltern. Unter dem Markennamen Lamy gewannen diese Schreibgeräte durch ein besonderes Design große Popularität.

Mit der Vollendung der Technik entschied nämlich immer mehr das Design über den Erfolg eines Füllfederhalters. Von Anfang an bis in die 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts war dieses Schreibgerät ausschließlich mit Goldfedern hergestellt worden, was ihm stets einen besonderen Status verlieh. Die ersten Halter aber besaßen noch gravierende Mängel. Sie bestanden zunächst nur aus einem gebohrten Schaft, einem eingeschraubten Griffstück mit aufgesteckter Goldfeder und einer Kappe, die aufgeschoben wurde. In den aufgeschraubten Schaft füllte man mittels einer Pipette umständlich die Tinte ein. Der Tintenstand war nicht sichtbar. Bei unvorsichtiger Handhabung lief die Tinte unter Umständen ganz aus. Die Feder lockerte sich leicht und beschmutzte die Finger. In der Kappe war sie nicht luftdicht abgeschlossen und trocknete deshalb schnell aus. Das Anschreiben wurde daher oftmals mühsam. Durch wiederholtes Aufstecken der Kappe spaltete sich diese sehr leicht.

Waterman hatte die ersten Schäfte noch aus Hickoryholz geschnitzt. Bald ging man auf das auf Charles Goodyear zurückgehende Hartgummi über, einer Mischung aus Naturkautschuk und Schwefel, Ebonit genannt. Dieser Werkstoff ist preiswert herzustellen, verformt sich nicht und verträgt Säuren sowie Salze. Allerdings verliert es leicht seine beiden einzig möglichen Farben Rot und Schwarz durch Lichteinfluss. Ab 1897 kam das aus Kasein hergestellte Galalith in Gebrauch, ab 1916 Bakelit, ab 1920 Zelluloid aus Cellulosenitrat und Campher und ab ca. 1950 thermoplastische Kunststoffe. Mit den neuen Stoffen konnten die Farb- und Sicherheitsprobleme endlich gelöst werden. Daneben wurden auch Edelmetalle, Porzellan, Elfenbein, Ebenholz, Perlmut und andere verarbeitet.

Namhafte Künstler beeinflussten auf seinem Erfolgsweg die Formgebung, die in edle Materialien umgesetzt wurde. Schriftsteller, Schauspieler, Staatenlenker und Könige besitzen Einzelstücke, die in hunderten von Arbeitsstunden per Hand gefertigt worden waren sowie mit Diamanten und Rubinen besetzt sind. Für jedes Modell werden ganz unterschiedliche Federn angeboten, aus denen sich der Besitzer die für ihn persönlich geeignete aussuchen kann, denn jeder Mensch schreibt etwas anders.

Mit der Perfektionierung des Kugelschreibers in eine tiefe Krise gestürzt, überlebte der Füllfederhalter dennoch im Bereich von Schule und einem Teil der Arbeitswelt, vor allem jedoch als Schmuckstück und Statussymbol.
Günter Garbrecht 2009

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